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Tröpfchenbewässerung. Foto: iStock
22.10.2020
Umwelt & Verbraucher

Gleichzeitig bewässern und düngen

Fertigation als zukunftsträchtiges Verfahren

Nährstoffe mittels flüssiger oder wasserlöslicher Dünger witterungsunabhängig und punktgenau ausbringen – Fertigation macht es möglich. Der Name des Verfahrens setzt sich aus den englischen Wörtern fertilization (Düngung) und irrigation (Bewässerung) zusammen. Das IVA-Magazin sprach mit Professor Jóska Gerendás, Leiter Marketing Water-Solubles (Fertigation & Blattdüngung) bei der K+S AG über die Möglichkeiten der Fertigation.

Herr Professor Gerendás, was fällt Ihnen zum Stichwort Fertigation als Erstes ein?

Die Fertigation ist sozusagen die anwendungsorientierte Seite der Pflanzenernährungslehre. Anekdotenhaft sei daran erinnert, dass der Nachweis der Lebensnotwendigkeit von Nährelementen seit dem 19. Jahrhundert durch Anzucht von Pflanzen in Nährlösungen bei wechselseitiger Auslassung einzelner Nährelemente erfolgte. Wenn man nun alle notwendigen Nährstoffe als aufnehmbare Form der Nährelemente in den erforderlichen Mengen in die Nährlösung gibt, kann man nahezu alle Pflanzen erfolgreich kultivieren. Stellen Sie sich beispielsweise das Prinzip der Hydrokultur auf der Fensterbank vor. Entsprechend ist die Fertigation nichts weiter als die Anwendung der Pflanzenernährung(slehre).

Wo liegen denn die Chancen der Fertigation und wo sind ihre Grenzen?

Das Wichtigste vorweg: Es gibt nicht „die“ Fertigation, sondern unzählige Varianten, je nach Kulturart, Region, Umwelt, Ressourcen und Intensität. Die Basis-Version ist, dass in gewachsenem Boden, also keine künstlichen Substrate, ein Teil der Nährstoffe über mineralische und organische Dünger ausgebracht wird. Anschließend erfolgt die Bewässerung (Micro Irrigation) als Tröpfchenbewässerung (Drip) oder über Regner (Sprinkler). Die Bewässerungssteuerung erfolgt nach der Erfahrung des Landwirts. Diese Grundversion ist weltweit stark verbreitet und hat flächenmäßig die größte Bedeutung, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Indien, Asien allgemein sowie Lateinamerika. Ihr Nachteil: Bei mangelhafter Kontrolle besteht die Gefahr der Grundwasserbelastung durch Auswaschung von Nährstoffen wie Nitrat, womit die potenziell höhere Nährstoffausnutzung bei der Fertigation verspielt wird. Ein weiteres Problem besteht in der Versalzung der Böden infolge des Anstiegs des Grundwasserspiegels.

Dann gibt es neben dieser Basis-Version der Fertigation auch noch weiter entwickelte Verfahren bis hin zum Indoor Farming.

Ja. Nehmen wir mal die High-End-Variante: Sie umfasst die Kultur von Gemüse wie Tomaten, Gurken oder Paprika in inerten Substraten, wie zum Beispiel Steinwolle, oder auch ganz ohne Substrat (Hydroponik; NFT – Nutrient Film Technique) mit vollständigen Nährlösungen, fast immer in Gewächshäusern. Allerdings birgt das Verfahren auch Risiken, wie zum Beispiel die Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung von wurzelbürtigen Krankheiten. Der Vorteil dabei ist die starke Kontrolle der Umweltbedingungen durch die Klimatisierung. Man hat einen geschlossenen, meist computergesteuerten Nährlösungs- und damit Nährstoffkreislauf. Deswegen ist eine genaue Kenntnis des zeitlichen Nährstoffbedarfs durch Aufnahmekurven und Monitoring des Pflanzen- und Fruchtwachstums notwendig. Dieses Verfahren bietet in klimatisierten Räumen mit künstlicher Beleuchtung zukünftig ungeahnte Möglichkeiten für das Indoor- und Vertical Farming.

In welchen Regionen ist denn keine Fertigation möglich?

Fertigation ist kaum anwendbar, wenn ganzjährig hohe Niederschläge fallen, wie es in den immer feuchten Tropen der Fall ist. Doch bereits in den wechselfeuchten Tropen sind während der Trockenzeiten gute Voraussetzungen für die Fertigation gegeben.

Und wie sieht es mit den Kosten aus?

Für die Fertigation mit Micro-Irrigationsystemen im Freiland eignen sich aufgrund der recht hohen Investitionskosten vor allem Cashcrop-Dauerkulturen, wie zum Beispiel Obstplantagen, da hier die Installationen über längere Zeit an Ort und Stelle verbleiben können. Auch länger stehende Gemüsekulturen mit Tomaten, Gurken oder Melonen bieten aufgrund hoher Wertschöpfung gute Voraussetzungen für die Nutzung der Fertigation. Fertigationsanlagen mit einfachen Systemen aus aufrollbaren Schläuchen werden heute auch in Kartoffeln und im Zuckerrohr eingesetzt.

Gibt es denn auch Möglichkeiten, Fertigation in größeren Anlagen einzusetzen?

Meist wird die Fertigation ja tatsächlich mit Micro-Irrigationsystemen in Verbindung gebracht. Doch sie lässt sich prinzipiell auch bei großen Bewässerungsanlagen wie Pivotanlagen und anderen Großflächenregnern einsetzen. Hier können ebenso wasserlösliche Düngemittel hinzugegeben werden, und so könnten fast alle Kulturarten, also auch Getreide und andere Druschfrüchte, gedüngt werden. Hierbei verwischen jedoch die Grenzen zwischen Fertigation und Blattdüngung, zumal auch sonst viele Produkte in beiden Anwendungen eingesetzt werden. Dies gilt auch für einen weiteren Sonderfall, der Unterflurbewässerung. Hier erfolgt die Bewässerung nicht oben auf den Boden, sondern zwischen Krume und Unterboden. Dies erlaubt eine weitgehend normale Bodenbearbeitung und Mähdrusch, hat aber aufgrund der hohen Investitionskosten weltweit eine geringe Bedeutung.

Welche Nährstoffe werden denn per Fertigation verabreicht?

Während sich das klassische Düngemittelgeschäft der K+S AG auf die Nährstoffe Kalium, Magnesium und Schwefel beschränkte, wurde in den letzten Jahren die Produktpalette erheblich erweitert und umfasst im Bereich wasserlösliche Düngemittel alle gängigen stickstoff- und phosphorhaltigen Düngemittel. Während bis vor wenigen Jahren nur ein paar wasserlösliche Produkte, insbesondere Kaliumsulfat und Bittersalz, zur Verfügung standen, bietet K+S heute in den verschiedenen Märkten insgesamt über zehn verschiedene wasserlösliche Einzeldünger und über 20 verschiedene NPK-Formeln mit den Nährstoffen Stickstoff, Phosphor und Kali an.

Ist Fertigation ein wassersparendes Verfahren?

Die beiden großen Vorzüge der Fertigation – die Wasserersparnis und die bessere Nährstoffausnutzung – kommen überwiegend bei Wasserknappheit zur Geltung. Global gesehen ist die Landwirtschaft der größte Verbraucher wertvollen Süßwassers. Auch wenn wir hierzulande verstärkt Trockenperioden erleben, liegt der Schwerpunkt der Anwendung – global betrachtet – daher in den Trockengebieten der großen ariden Zonen und den Subtropen. Vor dem Hintergrund hoher Transportkosten und entsprechend dem Wunsch, den Kohlenstoff-Fußabdruck unserer Produkte zu optimieren, sind wir bestrebt Produktionsstandorte in Nähe der wichtigsten Märkte zu nutzen. Dies ist ein fortwährender Optimierungsprozess.

Wie beurteilen Sie die Auswirkungen moderner Bewässerung und Düngung auf die Umwelt?

Moderne Bewässerungsverfahren schaffen in Zusammenhang mit effizienter Steuerung und kontrollierter Nährstoffzufuhr beste Voraussetzungen für eine ressourcenschonende agrarische Produktion. Oberflächennahe Bewässerung, insbesondere Tröpfen- und Unterflurbewässerung, erlauben es gemeinsam mit einer adäquaten Steuerung den Pflanzen nur so viel Wasser zu geben, wie sie tatsächlich benötigen. Nichtsdestotrotz kann es allerdings notwendig sein, periodisch mehr Wasser zu geben, um die Anreicherung von Salzen in der Wurzelzone zu vermeiden.

Die korrekte Bemessung und Ausbringung der Wassermenge spart nicht nur Wasser, sondern vermindert auch durch geringere Sickerwasserbildung die Auswaschung wertvoller Nährstoffe. Dies ist maßgeblich an der besseren Ausnutzung der Düngemittelnährstoffe beteiligt und ein großer Pluspunkt für die Ökonomie der Produktion und damit das Einkommen der Landwirte sowie die Auswirkungen für die Umwelt, zum Beispiel durch eine geringere Kontamination des Grundwassers mit Nitrat. Da die Süßwasservorräte weltweit gefährdet sind, liefert die Fertigation einen wesentlichen Beitrag zu deren Schutz.

Was war die Motivation für Ihr Unternehmen, sich in der Fertigation zu engagieren?

K+S hatte vor einigen Jahren im Rahmen des Projekts „Shaping 2030“ zahlreiche Megatrends analysiert. Stichpunktartig seien hier Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Klimawandel und Wasserknappheit, Flächenverlust durch Ausbreitung der Wüsten und Bebauung und veränderte Ernährungsgewohnheiten genannt. So ist fest davon auszugehen, dass der Anteil an Obst und Gemüse weiter zunehmen wird. All diese Trends führen unweigerlich zur Notwendigkeit pro Einheit landwirtschaftlich genutzter Fläche und pro Kubikmeter Wasser mehr hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen. Ohne die verstärkte Nutzung der Fertigation in all ihren verschiedenen Formen sind diese Herausforderungen nicht zu bewältigen. Es ist K+S wichtig, unter Einbringung wichtiger Kernkompetenzen einen Beitrag zur globalen Entwicklung einer nachhaltigen agrarischen Produktion zu leisten. Unsere Vision ist, einer der fünf größten Anbieter von voll wasserlöslichen Düngemitteln zu werden.

Welche Marktchancen erwarten Sie für die Fertigation?

Entsprechend der oben genannten Faktoren sehen wir sehr gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausweitung unseres Geschäfts mit wasserlöslichen Düngemitteln. Die zunehmende Wasserknappheit, aber auch die Zunahme extremer Wetterereignisse, zwingt die Landwirtschaft zum sparsamen Einsatz des wertvollen Bewässerungswassers und der Bevorratung. Da die genannten Treiber für den Einsatz der Fertigation für mehrere Jahrzehnte wirken werden, gehen wir von einem langfristig steigenden Bedarf an voll wasserlöslichen Düngemitteln aus. Marktstudien gehen von einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum des Verbrauchs solcher Düngemittel von 3 bis 5 Prozent aus. Die höchsten Wachstumsraten erwarten wir in Asien, insbesondere Südasien (Indien), Naher Osten, Lateinamerika und Afrika.

In vielen Regionen haben die Regierungen den Ernst der Lage erkannt und subventionieren die Installation von wassersparenden Bewässerungsanlagen, zum Beispiel in der Tröpfchenbewässerung. In Indien beispielsweise gewähren die Behörden etwa 50 Prozent der Kosten als Subvention. Fast alle Varianten dieser Anlagen lassen sich mit geringfügigen Anpassungen zur Bewässerungsdüngung nutzen, was die Verbreitung der Fertigation und damit den Bedarf an wasserlöslichen Düngemitteln stark fördert. Entsprechend der genannten Wachstumsregionen fokussiert sich K+S auf die Entwicklung des Geschäfts mit wasserlöslichen Düngemitteln in Asien (China, Indien) MENA [Naher Osten und Nordafrika] und Lateinamerika.

Herr Professor Gerendás, vielen Dank für das Gespräch!

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