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Flachs ist im Juni und Juli an den schönen blauen Blüten zu erkennen. Foto: NickyPe / Pixabay
17.06.2021
Schule & Wissen

Blau blüht der Flachs

Flachs wird auch als Lein bezeichnet

Blaublühende Felder sind in Deutschland im Frühsommer eine Seltenheit. Es lohnt sich ein genauerer Blick. Möglicherweise handelt es sich um Flachs. Dessen Fasern lassen sich zu Leinen verarbeiten. Die Textilie war über Jahrhunderte ein begehrtes Handelsgut und mehrte den Reichtum von Kaufleuten und Städten. Das Öl der Samen ist allerdings auch nicht zu verachten.

Wissenswert

Flachs (Lein) zählt zu unseren ältesten Kulturpflanzen. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass bereits vor mehr als 10 000 Jahren Flachsfasern zu Textilien verarbeitet und dessen Samen verzehrt wurden. Die Pflanze war schon früh von Mitteleuropa bis in den vorderen Orient verbreitet: Leinsamen-Funde an den spätsteinzeitlichen Pfahlbauten am Bodensee und Mumienbinden aus Leinen im Ägypten der Pharaonen sind Belege dafür. Im 16. Jahrhundert erlebte der Anbau in Mitteleuropa seine Blütezeit. Hochwertiges Leinen war ein begehrtes Handelsgut und wurde zu Kleidung und Bettwäsche verarbeitet. Andere Faserlieferanten wie Schafswolle, Hanf oder Nessel standen damals bereits im Wettbewerb mit Flachs. Doch erst mit dem rasanten Aufstieg der Baumwolle im 19. Jahrhundert und nachfolgend der synthetischen Fasern versank die Kultur fast in der Bedeutungslosigkeit.

Heute ist der Flachs in unserem täglichen Leben vor allem in Form von Leinsamen auf Brötchen präsent, die in keiner Bäckerei fehlen dürfen. Die Schalen enthalten quellfähige Ballaststoffe, die verdauungsfördernd sind. Außerdem bestehen die Samen zu 38 bis 44 Prozent aus einem Öl, das besonders reich an ungesättigten Omega 3-Fettsäuren ist. Unser Körper kann diese Fettsäure selbst nicht bilden. Sie soll blutdrucksenkend und entzündungshemmend wirken. Leinöl wird unter anderem als Zutat in Salatsaucen oder Dips und in regional bekannten Gerichten wie Pellkartoffeln mit Quark verwendet.

Der Flachs ist aber auch als Nachwachsender Rohstoff bekannt. Das schnelltrocknende Öl kann in Anstrichfarben, Lacken und Druckfarben oder Kosmetika verwendet werden. Die Fasern sind reißfest und leicht und werden deswegen in Naturfaserverbundstoffen oder als Asbest-Ersatz eingesetzt. Im Automobilbau sind sie in Dachhimmeln und Türverkleidungen und in vielen Bereichen als Dämmstoff verwendbar. In Leinwänden stecken die Fasern natürlich ebenfalls.

Textilien aus Leinen haben nur eine geringe Bedeutung. Beliebt ist Sommerbekleidung aus Leinen, weil die Fasern Feuchtigkeit aufnehmen und sie an die Umgebungsluft abgeben. Sie wirken deshalb kühlend. Außerdem sind sie reißfest, schmutz- und bakterienabweisend, unempfindlich gegenüber feuchter Hitze sowie flusenfrei. Allerdings knittern die Fasern wegen ihrer geringen Elastizität und sind nicht scheuerfest.

Herkunft und Ansprüche

Flachs (Linum usitatissimum) hat seine Heimat im atlantischen Europa, rund um das Mittelmeer und in Mittelasien. Ideale klimatische Verhältnisse herrschen an den Küsten Nordfrankreichs, Belgiens, der Niederlande und Norddeutschlands. Sie zeichnen sich durch maritimes Klima mit gemäßigten Temperaturen und genügend Niederschlägen in den Hauptwachstumsmonaten Mai und Juni aus. Die Pflanze hat keine besonderen Ansprüche an den Boden. Wenn er tiefgründig ist und viel Wasser speichert, kann er eine trockene Frühsommerwitterung kompensieren. Böden mit Staunässe sind ungeeignet.

Anbau

Flachs wird bei ausreichend abgetrockneten Böden Ende März bis Anfang April gesät. Je nach Verwendungszweck als Faser- oder Öl-Lieferant stehen verschiedene Sorten zur Auswahl. Unter den einsetzenden Langtagsbedingungen wachsen die Pflanzen zügig und blühen im Juni und Juli. Die Redensart „ins Blaue fahren“ wird auf die schönen blauen Blüten zurückgeführt.

Pflanzenschutz und Düngung

Vor allem in der Jugendphase konkurriert der Flachs mit Unkräutern um Wasser, Nährstoffe und Licht. Deswegen werden im konventionellen Anbau Pflanzenschutzmittel verwendet. Auch gefährliche Pilzkrankheiten wie die Flachswelke oder der Leinrost und tierische Schädlinge wie Leinerdflöhe und Leinblasenfüße können die Kultur massiv schädigen und sind überwiegend mit gezielten chemischen Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Faser-Lein hat mit etwa 20 Kilogramm pro Hektar nur einen sehr geringen Stickstoffbedarf, Öl-Lein benötigt etwas mehr.

Ernte

Öl-Lein wird ähnlich wie Raps im totreifen Zustand mit dem Mähdrescher geerntet. Faser-Lein erfordert hingegen spezielle Maschinen. Die Pflanzen werden bereits bei Gelbreife mit einer Raufmaschine aus dem Boden gezogen und abgelegt. Unterstützt durch Tau lösen Bakterien und Pilze die Mittellamellen zwischen den Zellwänden auf. Nach zwei bis drei Wochen sogenannter Feldröste wird das Stroh getrocknet, geklopft und gebrochen und die anschließend isolierten Faserbündel aufbereitet. Die Gewinnung von Langfasern für Bekleidung ist besonders aufwändig.

Zahlen

Öl-Lein wurde 2020 in Deutschland auf geschätzt 3400 Hektar Fläche angebaut. Raps als wichtigster Öl-Lieferant wuchs auf 658 000 Hektar (Quelle: FNR). Die größten Öl-Leinanbauer 2019 waren Kasachstan mit rund 1 245 000 Hektar und Russland mit 811 000 Hektar (Quelle: FAO, 2020). Im Faser-Leinanbau liegt China mit 260 000 Hektar vor Frankreich mit 122 000 Hektar. In Deutschland gibt es keinen nennenswerten Anbau. Pro Hektar können in West- und Mitteleuropa etwa 2500 Kilogramm Fasern gewonnen werden (Quelle: flachs.de). Die Menge der weltweit erzeugten Flachsfasern macht etwa 2 Prozent des Weltfaseraufkommens aus (Quelle: Carus, 2008).

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