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Die Ähren der Braugerstensorten sind meistens zweizeilig. Pro Ansatzstelle entwickelt sich ein Korn, das sich abwechselnd nach links und rechts ausrichtet. Foto: Braugersten Gemeinschaft
12.12.2023
Schule & Wissen

Winterbraugerste: eine Antwort auf den Klimawandel?

Züchtungsfortschritte bleiben Voraussetzung für hohe Bierqualität

Immer extremere Witterung im Frühjahr und Frühsommer machen den Anbau von Sommerbraugerste zu einem riskanten Geschäft für heimische Erzeuger. Weil viele die Kultur aufgeben, müssen sich Mälzereien und Brauereien zunehmend mit ausländischer Ware eindecken. Seit einigen Jahren richtet sich die Hoffnung aber auf ertragsstabilere Winterbraugerste.

Wissenswert

Braugerste im Herbst zu säen, ist für viele Landwirte und interessierte Laien ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke. Traditionell wird sie nämlich ab dem Spätwinter, sobald es die Bodenverhältnisse ermöglichen, bestellt. Doch seit mehr als 30 Jahren gibt es Versuche, bereits im Herbst ausgesäte Winterbraugerste zur Erzeugung von Malz und letztendlich Bier zu verwenden - lange Zeit ohne durchschlagenden Erfolg.

Die große Stärke der Winterbraugerste gegenüber der Sommerbraugerste sind ihre stabileren Erträge. Im Herbst bildet sie ein intensives Wurzelnetz, geht mit einem Wachstumsvorsprung ins Frühjahr, kann die Wasserreserven aus dem Winter besser nutzen und reift früher ab. Die immer häufiger auftretende Frühsommertrockenheit schlägt daher weniger auf den Ertrag durch als bei Sommergerste, die deutlich stärker unter ungünstigem Wetter leidet. In trockenen Gebieten Niedersachsens können mit dem Wechsel von Sommer- zu Wintergerste ein bis zwei Beregnungsgänge im Anbaujahr eingespart werden.

Auch wenn sich die Anteile am Braugerstenmarkt in Richtung Winterbraugerste verschieben, darf die Rechnung nicht ohne den Wirt gemacht werden. Das sind Mälzereien, die einen hochwertigen Rohstoff benötigen, ohne den kein Qualitätsbier gebraut werden kann. Nach Aussagen eines Branchenexperten erreichen die aktuellen Winterbraugerstensorten zwar mittlerweile das Qualitätsniveau älterer Sommergerstensorten. Doch das sorgt noch nicht für Begeisterung bei den Abnehmern.

Winterbraugerste muss also nach wie vor züchterisch weiterentwickelt werden. So sollte der Rohproteingehalt zwischen 9,5 und 11,5 Prozent liegen. Sind die Werte über dem Toleranzbereich, wird die Gärung beeinträchtigt, die Filtration erschwert oder Ausflockungen im Bier verursacht. Zu niedrige Gehalte können den Geschmack und die Schaumstabilität des Bieres verringern. Darüber hinaus sollte die Ware einen hohen Anteil großer Körner („Vollgerstenanteil“) aufweisen, eine sehr gute Keimfähigkeit besitzen und mit einem hohen Extraktgehalt sowie guten Lösungseigenschaften punkten. Die erforderlichen Qualitäten werden zwischen Anbauer und Mälzerei vertraglich fixiert. Erfüllt die Ware die Kriterien nicht, muss sie als schlechter bezahlte Futtergerste vermarktet werden.

Um Qualitäten mit Ertragssicherheit zu kombinieren, gibt es außerdem die Möglichkeit, Sommergerste bereits im Herbst auszusäen. Hier besteht aber das Risiko, dass die kälteempfindlicheren Sommersorten bei starken Frösten eher Schaden nehmen und ihre höhere Anfälligkeit für die Rynchosporium-Blattfleckenkrankheit über die längere Wachstumszeit zu größeren Ertragsausfällen führt.

Optisch sind Sommerbraugerste, Winterbraugerste und Winterfuttergerste in der Jugendentwicklung nicht zu unterscheiden. Wenn die Ähren erscheinen, sind diese bei den meisten Brausorten zweizeilig. Pro Ansatzstelle entwickelt sich nur ein Korn. Im Gegensatz dazu bilden mehrzeilige Sorten jeweils drei Körner. Diese sind im Normalfall kleiner und können nicht die strengen Qualitätsanforderungen erfüllen. Bei Futtergerste haben diese Anforderungen keine Bedeutung, deswegen kommen hier auch ertragsstärkere, mehrzeilige Sorten zum Einsatz.

Herkunft und Ansprüche

Die Gerste (Hordeum vulgare) stammt vermutlich aus dem Gebiet des Vorderen Orients und wurde dort bereits vor rund 12 000 Jahren als Kulturpflanze genutzt. In Mitteleuropa wird sie seit der Jungsteinzeit, also etwa seit 5000 Jahren, angebaut. Winterbraugerste passt am besten auf leichte bis mittlere Böden mit geringem Humusgehalt und damit niedrigem Stickstoffnachlieferungsvermögen. So kann das Qualitätskriterium Proteingehalt leichter eingehalten werden.

Anbau

Je nach Region wird Winterbraugerste ab Ende September ausgesät. Der Zeitpunkt sollte so gewählt werden, dass sie mit vier bis sechs Bestockungstrieben in die Winterpause geht. Bei zweizeiligen Sorten werden etwa 340 Körner pro Quadratmeter gesät, aus denen sich bis zum Sommer knapp 800 ährentragende Halme entwickeln.

Pflanzenschutz und Düngung

Genau wie Winterfuttergerste muss Winterbraugerste vor Unkrautkonkurrenz, Viruskrankheiten (Verzwergungsvirus), Pilzkrankheiten (Netzflecken, Rynchosporium, Mehltau) sowie tierischen Schaderregern (Blattläuse) geschützt werden. Ansonsten hat das empfindliche Ertragseinbußen zur Folge. Stickstoff muss mit Fingerspitzengefühl gedüngt werden. Die zum Ährenschieben übliche dritte Teilgabe wird meistens weggelassen, um die Proteinwerte niedrig zu halten. Ebenso unterbleibt im Braugersten-Anbau die Düngung mit Gülle oder anderen organischen Stoffen, weil der Zeitpunkt der Stickstofffreisetzung kaum zu planen ist.

Ernte und Lagerung

Die Winterbraugersten-Ernte beginnt, wenn die Körner einen Wassergehalt von weniger als 15 Prozent haben und damit ohne Trocknung lagerfähig sind. Je nach Witterung und Region ist damit ab Ende Juni zu rechnen. Die Erträge liegen etwas unter denen der Winterfuttergerste, aber deutlich um bis zu 10 Dezitonnen pro Hektar (Zahl: DLR RLP, 2023) über Sommerbraugerste.

Zahlen

Der Bedarf deutscher Mälzereien an Braugerste lag in den letzten fünf Jahren bei ca. 2,3 bis 2,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Etwa die Hälfte davon wird aus dem Ausland importiert. Der Anteil der Winterbraugerste an der Gesamtverarbeitung schwankt zwischen 8 und 14 Prozent (Zahlen: DLR RLP, 2023). Die Eigenversorgung könnte theoretisch problemlos erreicht werden, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen günstiger wären. Immerhin wurden 2023 in Deutschland 11,1 Millionen Tonnen Gerste mit durchschnittlich 68,8 Dezitonnen pro Hektar geerntet (Zahlen: destatis).

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