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Martin Umhau bewirtschaftet in Oschatz im Landkreis Nordsachsen einen Ackerbau-Betrieb mit Schwerpunkt Speisekartoffeln. Er ist Vizepräsident des Landesbauernverbands Sachsen und Vorsitzender des Fachausschusses Kartoffel im Deutschen Bauvernverband. Foto: DBV
15.01.2015
Umwelt & Verbraucher

Modernen Pflanzenschutz fördern, nicht verhindern

Landwirt Martin Umhau fordert die Unterstützung der Politik für einen nachhaltigen Pflanzenschutz in Deutschland

Kein Pflanzenschutzmittel ohne amtliche Zulassung. So will es der Gesetzgeber. Bessere Produkte sollen gute ablösen. Globaler Warenaustausch und Klimawandel bringen immer neue Pflanzenschutzprobleme mit. Neue Lösungen müssen her. Nicht zuletzt deshalb sollte die Pflanzenschutzzulassung europaweit harmonisiert und beschleunigt werden. Doch stattdessen wachsen die Hürden für die Zulassung immer höher. Die Auswirkungen auf den praktischen Pflanzenbau werden jetzt spürbar. Wir sprachen mit dem Landwirt Martin Umhau.

Herr Umhau, bitte stellen Sie sich kurz vor

Mein Name ist Martin Umhau, ich bewirtschafte einen Ackerbaubetrieb in Oschatz in Sachsen mit dem Schwerpunkt Speisekartoffelanbau. So baue ich auf 100 Hektar Kartoffeln an, daneben finden Sie Weizen, Raps, Zuckerrüben und Mais auf meinen Äckern.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dient der Erzeugung hochwertiger Lebensmittel. Fühlen Sie sich dabei von Politik und Gesetzgebung ausreichend unterstützt?

Ich sehe erheblichen Verbesserungsbedarf bei den Rahmenbedingungen für den Pflanzenschutz. Die Ansprüche an die Landwirtschaft und die Erzeugung heimischer, gesunder und hochwertiger Lebensmittel steigen – auf immer weniger Fläche soll die Landwirtschaft mehr produzieren. Gleichzeitig steht der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in einer prinzipiellen Kritik. Als Landwirte brauchen wir aber Möglichkeiten, unsere Kulturen vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen. Wir brauchen einen umweltfreundlichen Pflanzenschutz, aber keine Blockade der Zulassungsbehörden.

Was müssen Sie im Kartoffelbau alles dokumentieren? Ist die Rückverfolgbarkeit gegeben?

Die Aufzeichnungen beginnen schon beim Vorfruchtanbau. Schlagspezifische Dokumentationen wie das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln und eine umfängliche Lagerdokumentation sind heute eine Selbstverständlichkeit. So können wir anhand der Chargennummer die Kartoffeln von der Ladentheke bis hin zum Schlag auf dem Feld zurückverfolgen. Zusätzlich gibt es externe Qualitätssicherungssysteme, deren Auditoren zur Zertifizierung auf die Betriebe kommen.

Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo Sie sich in Ihrem Betrieb durch restriktive Pflanzenschutzgesetzgebung eingeschränkt fühlen?

Vor zwei Jahren hatten wir eine Feldmausplage – vor allem in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Mäuse haben sich explosionsartig vermehrt und den Feldaufwuchs aufgefressen. Einige landwirtschaftliche Betriebe verloren bis zur Hälfte ihrer Ernte. Eine breitflächige Ausbringung von Mäuseködern ist jedoch seit 2007 verboten. Eine dauerhafte Lösung fehlt. Befristete Ausnahmegenehmigungen sind nicht absehbar. Das erschwert die Planung der Betriebe. Erlaubt ist es, Mäuseköder einzeln von Hand mit sogenannten Legeflinten zu vergraben. Die Arbeitskosten sind aber untragbar hoch. Auch durch Bodenbearbeitung können derartige Populationen nicht gut reguliert werden. Das Umweltbundesamt sieht in der flächigen Ausbringung der Mäuseköder eine mögliche Gefahr für Vögel, beispielsweise den Roten Milan. Eine Beeinträchtigung der Vogelpopulation hat man aber bisher nicht feststellen können, da sind sich auch die Fachexperten der Pflanzenschutzämter einig. Wir Landwirte haben daher kein Verständnis dafür, dass die Behörden die flächige Mäusebekämpfung verboten haben.

Wie wirken sich die Anwendungseinschränkungen oder der Wegfall bewährter Pflanzenschutzlösungen auf Ihrem Betrieb aus?

Mehrere Wirkstoffe im Wechsel einzusetzen ist das beste Mittel, um Resistenzen vorzubeugen. Hier sehe ich zunehmend ein Problem auf uns zukommen, da die Wirkstoffpalette immer kleiner wird. Auch als Kartoffelanbauer muss ich mir ernsthaft überlegen und betriebswirtschaftlich prüfen, ob es sich künftig noch lohnt, Speisekartoffeln anzubauen. Der Drahtwurm verursacht Fraßschäden an den Kartoffeln, bis hin zum Totalausfall der Ernte. Wenn dieser Schädling nicht mehr bekämpft werden kann, werden viele Landwirte aus dem Kartoffelanbau aussteigen.

Der Integrierte Pflanzenschutz ist vom Leitbild zur verbindlichen Vorschrift geworden. Wie sieht dieser in Ihrem Betrieb konkret aus?

Zunächst heißt Landwirtschaft und Produktion von Nahrungsmitteln eine hohe Verantwortung für mich und meine Familie und gegenüber der Gesellschaft. Der Integrierte Pflanzenbau umfasst alle pflanzenbaulichen Maßnahmen, einschließlich des chemischen Pflanzenschutzes, die darauf ausgerichtet sind, gesunde und leistungsfähige Kartoffelbestände zu etablieren und zu erhalten. Integrierter Pflanzenschutz ist das Gegenteil von „viel hilft viel“: Auf meinem Betrieb beginnt das konkret mit der Wahl des geeigneten Standortes, der angepassten Bodenbearbeitung und der Sortenwahl. Besonders wichtig ist gesundes Pflanzgut. Die Pflanzen werden genau nach Bedarf gedüngt. Chemischer Pflanzenschutz wird nur angewendet, wenn eine bestimmte Schadschwelle überschritten ist. Integrierter Pflanzenschutz endet aber nicht mit dem Roden der Kartoffeln, sondern geht im Lager weiter.

Was wünschen Sie sich von der Politik/Gesetzgebung für die Zukunft im Pflanzenschutz?

Ich wünsche mir rechtliche und politische Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, ideologiefrei gesunde Lebensmittel nach anerkannten naturwissenschaftlich basierten Regeln zu erzeugen. Die Politik muss die Brisanz der aktuellen Situation erkennen, alle geplanten Einschränkungen der Wirkstoffpalette ernsthaft prüfen und gemeinsam mit dem Berufsstand der Landwirte, der Industrie und dem Handel gegenüber dem Verbraucher den Nutzen von Pflanzenschutzmitteln kommunizieren.

Fünf Forderungen an die Bundesregierung

Fünf führende Verbände der deutschen Agrarwirtschaft wie zum Beispiel der Deutsche Bauernverband und der Industrieverband Agrar befürchten, dass die wachsenden Hürden bei der Zulassung einer nachhaltigen Pflanzenerzeugung im Wege stehen. Im „Fünf-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz in Deutschland“ fordern die Verbände von der Bundesregierung Unterstützung für einen nachhaltigen Pflanzenbau.

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