Die einen sagen so, die anderen so
BERLIN. Zumindest Wortbruch muss und will sich die Ampelkoalition nicht vorhalten lassen. In der anstehenden Woche wird sie ihr unter gütiger Mithilfe der Fraktionschefs nach wochenlangem Geplänkel soeben noch rechtzeitig gepacktes „Agrarpaket“ im Bundestag beschließen, und damit vor der parlamentarischen Sommerpause, ganz so wie im kalten Winter versprochen. Über Wert und Gehalt der in Aussicht gestellten Unterstützung gehen die Meinung indes auseinander. Ein wenig erinnert das Meinungsbild an Troubadix, dem Barden im einstmals einzigen Gallierdorf ohne römische Oberhoheit. Von dessen Sangeskunst war bekanntermaßen einzig er selbst überzeugt, während alle anderen darin weder Kunst noch gar Gesang erkennen wollten.
Beim Agrarpaket steht die Ampelbegeisterung über die größte Bürokratieentlastung seit Jahrzehnten und den Anfang vom Ende jeglichen Agrarelends dem Oppositionsfrust über einen verspäteten Aprilscherz, heiße Luft und eine Mogelpackung gegenüber. Keine Fragen hat der Bauerntag in Cottbus über die Sicht der Zielgruppe auf die Ampelbemühungen offengelassen. Dort war von „Päckle“, gar „Postkarte“ bis hin zu lichtjahreweiter Entfernung zwischen Haben und Sollen die Rede, um nur die offiziellen Vertreter zu zitieren.
Bauern feiern SPD-Politiker
Außer im Bundestag hat in der neuen Woche auch der Bundesrat Aufregendes für Agrarinteressierte zu bieten. Einen Höhepunkt bietet die Sitzung am Freitag (5.7.) gleich zum Auftakt mit der Entscheidung über die Änderung des Düngegesetzes. Angesichts der bunten Vielfalt an Koalitionsregierungen und den damit einhergehenden Enthaltungen bei Auffassungsunterschieden zwischen Koalitionspartnern scheint es nahezu ausgeschlossen, dass die berühmten 35 Ja-Stimmen für die Annahme des umstrittenen Gesetzes zusammenkommen.
Die Zeichen stehen also auf Vermittlungsausschuss. Sollte es so kommen, wird die Union dort die Stoffstrombilanz als Skalp fordern, mit sozialdemokratischer Unterstützung, wie der brandenburgische Ministerpräsident in Cottbus versicherte, der dort bei seinem Auftritt in einem Maß umjubelt wurde, wie es SPD-Politiker an sich schon lange nicht mehr und auf einem Bauerntag noch nie erlebt haben dürften.
LandFrauen feiern sich selbst
Mindestens genauso gejubelt wird in Kiel, wenn am Dienstag (2.7.) rund 5.000 zum Feiern wild entschlossene LandFrauen aus dem ganzen Bundesgebiet anreisen, um den 75. Geburtstag ihres Verbandes gebührend zu begehen. Gut möglich, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit deutlich größerer Vorfreude in den Norden fährt als zuletzt in die Lausitz. Schon dort war der Empfang für den Grünen zwar nicht herzlich, aber auch nicht hart. Nicht auszuschließen, dass Özdemir in Kiel für den einen oder anderen Begeisterungswind sorgt.
Spannend dürfte sein, wer mehr LandFrauen-Herzen erobert, der Meister der geschliffenen Rede oder der Bundespräsident. Der allerdings hat zwei Nachteile gegenüber dem versierten Kommunikator aus dem Schwabenland: Die Würde des Amtes und seine ostwestfälische Herkunft.
Der Kleinste ist der Größte
Gewohnt zurückhaltend und wie es sich gehört in fachlichem Rahmen gedenkt bereits am Montag (1.7.) ein Verband seiner Gründung vor 75 Jahren, der traditionell nicht das Licht der breiten Öffentlichkeit sucht, aber gemessen an seiner bescheidenen personellen Ausstattung und dem Erreichten seit Jahrzehnten der erfolgreichste im politischen Berlin ist. „Kompetenz im Flächenmanagement“ lautet das Thema des Fachgesprächs, zu dem der Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) anlässlich seines 75. geladen hat.
Ländliche Entwicklung, Bodenmarkt, Agrarstruktur, landwirtschaftliches Bauen, naturschutzrechtlicher Ausgleich, Konfliktbewältigung auf dem Lande – die Liste der Felder ist lang, auf denen die Landgesellschaften seit jeher ihre zumeist geraden Furchen ziehen. Der BLG wird nach getaner Arbeit ein bis zwei Korken knallen lassen – verdient hat er’s allemal. AgE