Wertschätzung: Ein Schlüssel zur Agrarwende
Studie zeigt Hindernisse bei der Transformation des Agrar- und Ernährungssystems
Was sind die Haupthindernisse für eine nachhaltige und ökologische Umgestaltung des Agrarsystems? Eine Studie fand klare Antworten: Notwendig sind eine höhere Wertschätzung und Zahlungsbereitschaft für Lebensmittel, mehr Anerkennung für die Menschen, die sie produzieren, und eine größere Achtung für den Boden, der sie hervorbringt.
Im Projekt „Öko-Valuation“ unter Leitung der Universität Hohenheim in Stuttgart gemeinsam mit der Universität Tübingen und der Agentur ÖKONSULT wurden die ethischen Aspekte einer nachhaltigen Agrarwende untersucht. Das daraus entstandene Kursbuch „Landwirtschaft gemeinsam gestalten: Grundlagen, Methoden und Potenziale der Verständigung über Werte“ richtet sich an alle, die den Wandel zu einer dauerhaft zukunftsfähigen Landwirtschaft aktiv mitgestalten möchten.
Für die Studie, erklärt Projektleiterin Professor Dr. Claudia Bieling vom Fachgebiet Gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft der Universität Hohenheim, wurde mit lokalen Akteuren in zwei Bio-Musterregionen die Verständigung über Werte und Normen untersucht und geschaut, ob und wie Brücken zwischen gegensätzlichen Positionen gebaut werden können. In Workshops, Diskussionsrunden und Fotoaktionen wurden die unterschiedlichen Perspektiven und moralischen Überzeugungen der Beteiligten zur Sprache gebracht. Dabei stand nicht die Frage „Wer ist schuld?“ im Vordergrund, sondern „Wie sieht eine erstrebenswerte Zukunft aus und wer kann welche Verantwortung übernehmen?“
Kurzgeschichten als Forschungsinstrument
Die Forschenden nutzten unter anderem sogenannte Mikro-Narrative, also kurze Erzählungen über die Landwirtschaft. Durch diese Methode konnten sie die Erfahrungen und Erlebnisse der Teilnehmenden besser verstehen und die Welt sozusagen durch deren Augen betrachten.
Wertschätzung als wesentlicher Faktor
Vielfach wurde in den verschiedensten Kommunikationsformaten fehlende Wertschätzung als wesentliches Hindernis genannt, um das Agrar- und Ernährungssystem nachhaltiger auszurichten. Das bedeutet neben fairen Preisen für Lebensmittel auch die Würdigung und Anerkennung der Arbeit der Menschen, die sie erzeugen.
„Die Landwirtschaft gehört zu den Berufsfeldern, in denen Menschen sich stark mit ihrer Tätigkeit identifizieren. So wird Kritik an bestimmten Praktiken schnell als Kritik an der Person wahrgenommen“, erklärt Dr. Uta Eser vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften der Universität Tübingen. „Dies schmälert die Kooperationsbereitschaft. Denn Menschen beteiligen sich nur dann bereitwillig an einem gemeinschaftlichen Veränderungsprozess, wenn sie sich als vollwertiges und anerkanntes Mitglied dieser Gemeinschaft fühlen.“
Nicht zuletzt, ergab die Studie, bedarf auch der Boden größerer Wertschätzung: Neben nachhaltiger Bewirtschaftung und Pflege als Grundlage für langfristige Erträge braucht es angesichts andauernder Zersiedelung und Versiegelung auch ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein für den existentiellen Wert fruchtbarer Böden.
Der Weg zur Verständigung: Kursbuch gibt Orientierung für die Praxis
Ein Schlüssel zur besseren Verständigung sind regionale Netzwerke, in die neben Erzeugern und Verbrauchern auch Handel, Gastronomie oder Bildungseinrichtungen eingebunden sind. In den beiden untersuchten Musterregionen werden sie schon heute aufgebaut und gepflegt. Ein von der Forschungsgruppe entwickeltes Kursbuch erläutert grundlegende Begriffe und Prinzipien der Kommunikation über Werte und bietet einen „Methodenkoffer“ für den praktischen Einsatz.
Quelle: Uni Hohenheim