Lipide statt Wintermantel
Wie passen sich Pflanzen an kalte Umgebungstemperaturen und Frost an?
Pflanzen – die in der Regel einen festen Standort haben – müssen anpassungsfähig sein. Welche Strategien sie nutzen, um auf schnell wechselnde Umweltbedingungen zu reagieren, untersuchte ein Wissenschaftlerteam der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau.
Das Team vom Fachgebiet Pflanzenphysiologie an der RPTU hat dabei einen wichtigen Meilenstein erreicht. Denn die Doktorandin Annalisa John hat anhand der Modellpflanze Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) entschlüsselt, welche zellulären Mechanismen die Pflanze nutzt, um sich an kalte Umgebungstemperaturen und Frost anzupassen. Die Ergebnisse wurden in einer Studie in der Fachzeitschrift „The Plant Cell“ veröffentlicht.
Grundsätzlich, erklärt Annalisa John, Erstautorin der Studie, verändern Pflanzen bei Kältestress sowohl ihren Stoffwechsel als auch Strukturen auf Zellebene. Die betrifft vor allem die Biomembranen, die Zellen und die darin befindlichen Zellorganellen wie eine Grenzschicht umschließen. „Beim Einsetzen von Kälte muss die Zusammensetzung der Doppel-Lipidschichten, aus denen die Zellmembranen bestehen, rasch und effizient modifiziert werden“, erläutert John, die im Fachgebiet Pflanzenphysiologie promoviert. Diese Modifikationen sind notwendig, um Biomembranen auch bei geringen Umwelttemperaturen fluide beziehungsweise beweglich zu halten, was wichtig für ihre Funktionalität ist.
Um nun die Zusammensetzung der Zellmembranen ändern zu können, stoßen Pflanzen die Produktion neuer Lipide an. Die Synthese erfolgt in zwei Zellkompartimenten, den Chloroplasten und dem sogenannten Endoplasmatischen Retikulum (ER). Die Chloroplasten stellen zunächst Fettsäuren, die Grundbausteine von Lipiden, bereit und schicken diese mithilfe eines Transportproteins zur nächsten Verarbeitungsstation, dem ER. Das dazu notwendige Transportprotein in den Chloroplasten heißt Fatty Acid Export Protein 1, kurz FAX1. „Unsere Arbeitsgruppe hatte im Vorfeld dieser Untersuchungen bereits beobachtet, dass neben weiteren Proteinen auch die Menge an FAX1 nach Einsetzen kalter Temperaturen stark abnimmt“, so John. „Jedoch war unklar, ob diese Abnahme für die Kälte- und Frostanpassung bedeutend ist und wie die gezielte Abnahme des FAX1-Proteins gesteuert wird.“
Die Antwort steckt in den Chloroplasten
Im Rahmen ihrer Promotion lieferte sie nun Antworten auf diese Forschungsfragen. Der Vergleich mutierter Typen mit Wildtypen von Arabidopsis ergab, dass der Abbau von FAX1 in der Kälte für die Anpassung an geringe Umwelttemperaturen bedeutend ist. Nun wisse man auch, wie der Abbau erfolgt.
Unterstützung bei der Forschungsarbeit gab es von den Arbeitsgruppen Computergestützte Systembiologie und Molekulare Biotechnologie und Systembiologie der RPTU. Professor Dr. Ekkehard Neuhaus, Leiter des Fachgebiets Pflanzenphysiologie, betont die Bedeutung solcher Kooperationen: „Mit diesen Gruppen sowie externen Forschungspartnern arbeiten wir bereits im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Transregio-Sonderforschungsbereich 175 ‚The Green Hub‘ zusammen. Dessen Ziel ist, die vielfältigen Funktionen von Chloroplasten bei der Anpassung der Pflanzen an sich verändernde Umweltbedingungen zu verstehen.“ Die Ergebnisse zur Anpassung an Kälte und Frost könnten beispielsweise dabei helfen, empfindliche Nutzpflanzen gezielt in ihrer Kältetoleranz zu optimieren, sodass sie spontane Phasen kühler Temperaturen oder sogar Fröste überstehen.
Quelle: idw-online